Der Reschensee ist ein großer See im Dreiländereck und der größte See in Südtirol. Das Wasser glitzert im Sonnenlicht und die Berge und Wälder spiegeln sich bei ruhigem Wellengang wider. Die vielen Sportarten die am Reschensee angeboten werden und der bekannte Reschenseelauf ziehen unzählige Touristen an den See. 

Der See ist jedoch nicht nur wegen den vielen Freizeitmöglichkeiten ein wahres Touristenziel, sondern auch aufgrund eines Kirchturms, der mitten im See aus dem Wasser ragt. Doch warum um Himmels Willen steht mitten im See ein Kirchturm?

“Atlantis der Berge”, so wird der Kirchturm auch genannt, der aus dem Reschensee ragt. Ein Kirchturm, der die vorbeifahrenden Autofahrer oder den Besuchern an ein lang vergangenes Dilemma erinnert. Der Turm ist das beliebteste Postkartenmotiv der Kultur- und Tourismusregion Vinschgau und wurde im Laufe der Zeit zu einem richtigen Wahrzeichen der Region. Doch was steckt hinter dem Turm? Wie kam der Kirchturm in den See, oder wie gelangte der See um den Kirchturm? 

Um diese Frage beantworten zu können, muss man über 100 Jahre in die Vergangenheit zurückblicken, genauer gesagt in das Jahr 1911. 

Dort, wo sich heute der über 6 Kilometer lange und 348 km² große Reschensee erstreckt, befanden sich früher zwei Dörfer: Graun und Reschen. Früher befanden sich Bauernhöfe, Kirchen, Häuser, Weideflächen und Nutzungsflächen auf dem heutigen Seegrund.

Bereits im Jahre 1911 wurden im oberen Vinschgau viele Studien zur ökonomischen Nutzung der Wasserkraft durchgeführt. Doch nach dem 1. Weltkrieg und der Annexion Südtirols an Italien glaubte man, dass die Pläne in Vergessenheit geraten waren. Doch bereits im Jahre 1920 wurden die Pläne von Italien wieder aufgegriffen, da Mussolini in Bozen ein großes Fabrikwerk erbauen lassen wollte. Dafür brauchte er natürlich Strom und diesen wollte er dem Vinschgau entnehmen. Die Firma Montecatini nahm sich der Sache an und bestand darauf, den Wasserspiegel des bereits bestehenden Reschensees nicht nur um 5 Meter, sondern um sage und schreibe ganze 22 Meter anzuheben. 

Am 30.Juni 1939 wurden die Pläne des Stausees im ehemaligen Dorf Graun (heute Alt-Graun) aufgehängt. Die Staupläne waren in italienischer Sprache und die genaue Stauhöhe wurde nicht angegeben. Da zu dieser Zeit in Graun so gut wie niemand italienisch sprechen oder verstehen konnte, gab es auch keine Einwände gegen diese Pläne.

Kurz darauf begann die Firma mit den ersten unscheinbaren Arbeiten am See, obwohl die Baukonzession erst im Jahre 1942 erteilt wurde. 

Als jedoch im Jahre 1943 Deutsche Truppen in Südtirol einmarschierten, wurden die Pläne für den Stausee auf Eis gelegt. Nach dem Ende des Krieges war der bis dahin anhaltende Faschismus in Italien bekämpft worden und deshalb glaubten die Reschner, dass der geplante Stausee nun der Geschichte angehört. Doch dem war nicht so. 

Am 20.03.1947 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Die Grauner und Reschner wandten sich hilfesuchend an den österreichischen Außenminister Gruber und an zahlreiche Geologen. Doch nichts hinderte die Firma Montecatini daran, den Stausee zu bauen. 

Da die rund 100 Familien, die in Alt-Graun lebten, keine gerechte Entschädigung für das Verlassen der Häuser und das Abwandern bekamen, wandten sich der damalige Fürstbischof Johannes Geißler und der damalige Pfarrer Rieper an den Papst in Rom, doch auch dieser konnte den Bewohnern nicht weiterhelfen. 

Die Alt-Grauner und Reschner mussten also wohl oder übel ihr Schicksal hinnehmen. Doch als am 01. August 1949 die Schleusen geschlossen wurden, ohne die Bevölkerung zuvor zu informieren, stieg die Wut immer weiter. Die Erdgeschosse der Häuser standen unter Wasser und das Wasser überflutete noch nicht abgeernteten Felder. Daraufhin gab es einen Aufstand der Bauern, doch auch dieser konnte nichts mehr an der Situation ändern. Im Frühherbst 1949 war die Zeit gekommen um abzuwandern. Nur zirka 30 der 100 Familien zogen an die Hänge von St. Anna oberhalb von Graun oder in die Barackensiedlung, die am Eingang des Langtauferertals zur Unterbringung der Bevölkerung errichtet worden war. Die anderen 70 Familien zogen weg in andere Dörfer, nach Österreich und ins Trentino, da für sie kein Platz mehr war und da sie mit ihrem Schicksal nicht zurecht kamen. Alle verloren ihr Hab und Gut und hunderte Jahre von Geschichte und Familiengeschichte wurden des Geldes wegen zerstört. 

Als die Bewohner von ihrem Dorf weggezogen waren, konnte mit der Sprengung der jahrhundertealten Häuser und Kulturgüter begonnen werden. Am 09.07.1950 wurde der letzte Gottesdienst in der Pfarrkirche von Alt-Graun abgehalten und am 16.07 erklangen um 20:00 Uhr ein letztes Mal die Glocken der Pfarrkirche. Die 450 Jahre alte Glocke wurden aus dem Kirchturm entfernt. Das Dach der Kirche wurde abgedeckt und das Kirchenschiff und der Kirchenraum gesprengt. Der Kirchturm wurde aus Denkmalschutzgründen nicht gesprengt. Jede Erinnerung und jede Verbindung zur Geschichte des Dorfes wurde in den Fluten weggespült. Familien verloren ihr geliebtes Zuhause und somit auch die Erinnerung an ihre Ahnen. Sie verloren ihr Vieh, ihr Haus und ihre Heimat. Und nur noch eines erinnert an dieses Schandmal der Geschichte: Der Kirchturm von Alt-Graun.

Vom Dorf Alt-Graun, dem Atlantis der Berge, gibt es viele Sagen. Die Geschichte einer Frau, genannt “Schwarze Trinali”, die ihren Hof und ihr Haus nicht verlassen wollte, auch wenn das Wasser bereits den 1. Stock überflutet hatte. Auch Ihre Hennen brachte sie in eine höhere Etage, um sie vor dem Ertrinken zu retten. Sie wehrte sich lautstark gegen einen Vertreter des Naturschutzes und sagte „Zuerst haben sie mich gesteinigt, jetzt wollen sie mich ersäufen. Aber ich weiche nicht, sondern ziehe in den oberen Stock, wo bereits meine Hennen sind. Und wenn das Wasser auch noch dahin kommt, steige ich in die Dachkammer hinauf.“ Mit Gewalt musste die “Schwarze Trinali” aus ihrem Haus geschleppt werden.

Doch auch die Sage von den heute noch erklingenden Glocken des Kirchturms ist noch nicht verstummt. Der Glöckner soll die Glocken der denkmalgeschützten Kirche auch heute noch oft zum Läuten bringen und reißt damit alte Wunden wieder auf.

Eine bewegende Geschichte, die sich hinter einem einzigen Bauwerk befindet. Der Kirchturm ist somit nicht in den See gekommen, sondern der See ist um den Kirchturm gekommen und hat alle Erinnerungen, persönliche und familiäre Schätze und Kulturschätze der Alt-Grauner einfach so weggespült und zerstört. Das Einzige, was die Alt-Grauner an ihr geliebtes und von Erinnerungen geprägtes Dorf erinnert, ist der aus dem See ragende Kirchturm. 

Um Geld zu verdienen und Strom zu erzeugen verloren 2 Dörfer ihre Heimat und hunderte Menschen waren obdachlos. Sie mussten umgesiedelt werden und alles hinter sich lassen. Die Schmerzen dieser Geschichte werden ewig in den Köpfen und den Herzen der Grauner und Reschner bleiben. Jeder Bürger kämpfte für sein Recht, doch sie waren hilflos, niemand beachtete die Grauner und Reschner. Für die Unternehmer zählte nur das Geld, das sie mit diesem Projekt verdienen würden. Ob dadurch Menschen ihre Heimat und all ihr Hab und Gut verlieren war ihnen egal.

Während Ihres Urlaubs bei uns im Hotel Post in Nauders können Sie den Kirchturm im Reschensee live betrachten. Vielleicht werden auch Sie jetzt den Turm im Reschensee nicht nur als wunderschön, sondern auch als geschichtsträchtig ansehen. Und wenn sie ganz viel Glück haben, hören Sie ja vielleicht, wie der Glöckner die bereits entfernten Glocken des Kirchturms wieder zum Erklingen bringt.

ISABELLA

Isabella hat vor 10 Jahren die Rezeptionsleitung im Hotel Post übernommen und meistert diese Aufgabe mit viel Leidenschaft. Man findet bei ihr immer ein offenes Ohr und sie ist für ihre Herzlichkeit und Freundlichkeit unter Gästen und Mitarbeitern bekannt. In ihrer Freizeit verbringt Isabella am liebsten die Zeit in der Natur und sie kennt daher das Wandergebiet Nauders sehr gut. Sie ist die ideale Ansprechperson für Wanderempfehlungen in der Umgebung und sportliche Aktivitäten. Mit viel Einsatz und Flexibilität bestrebt sie ihren beruflichen Alltag und schafft es, die täglichen Herausforderungen stets mit positivem Ergebnis zu bewältigen.